Mit Ihrem Projekt SimRa legen Sie Ihr Augenmerk auf die Erfassung von „Beinahe-Unfällen“. Warum?
Weil es sehr schwierig ist, einen Überblick über Gefahrenpunkte für Radfahrende im Straßenverkehr zu bekommen. Denn Unfallstatistiken erfassen keine „Beinahe-Unfälle“. Fahrräder sind im Gegensatz zu Autos typischerweise nicht mit Sensoren ausgestattet, die solche Daten liefern könnten. Wir sammeln daher – auf datenschutzkompatible Art und Weise – Daten darüber, wo es in der Stadt für Radfahrende zu Gefahrenhäufungen kommt. Wir wollen wissen, welcher Art diese sind, ob diese zeitlich oder lokal gehäuft auftreten und auf welchen Strecken die meisten Radfahrenden unterwegs sind.
Wie erfassen Sie diese Daten?
Wir haben eine Smartphone-App entwickelt, die mittels GPS-Daten Fahrtrouten aufzeichnet. Sie nutzt Beschleunigungssensoren zum Detektieren von Gefahrensituationen – beispielsweise plötzliches Bremsen, Ausweichen oder gar einen Sturz. Im Anschluss an die Fahrt können die Radfahrenden, diese detektierten Gefahrensituationen kategorisieren sowie nicht detektierte Gefahrensituationen ergänzen und einen Upload auf die Projektserver freigeben.
Diese App ist nun in die Betatestphase gestartet. Welche Erfahrungen haben Sie bislang gemacht?
Unsere Betatester sind fleißig dabei und die App läuft erstaunlich stabil. Woran wir noch arbeiten müssen, ist vor allem der Algorithmus zur Erkennung von Gefahrensituationen. Hier erkennen wir bislang vor allem Auf- und Absteigen bzw. Anhalten, aber wir verbessern die Erkennung kontinuierlich.
Wie geht es nach der Betatestphase weiter?
Wir wollen im März live gehen und die App öffentlich zugänglich machen. Nach derzeitiger Planung starten wir gleichzeitig in Berlin und London. Aus anderen Städten wurde auch schon Interesse bekundet, wir brauchen dann aber jemanden, der lokal verantwortlich ist und beispielsweise die Auswertung koordiniert. Wenn dann die ersten Daten reinkommen, werden wir anfangen, diese auszuwerten – wir sind gespannt, welche Erkenntnisse wir gewinnen können und werden damit auch konkret an die zuständigen Verkehrsplaner herantreten.
Das Projekt wird im Rahmen der Citizen-Science-Initiative der TU Berlin gefördert. Wie können sich Bürger*innen beteiligen?
Für die Betatests hatten wir schon eine kleine, feste Gruppe von Radfahrenden rekrutiert. Sobald wir live gehen, kann dann jeder beim Datensammeln mitmachen, der ein Smartphone mit mindestens Android 6.0 hat. Und auch für die Auswertung der Daten planen wir gemeinsame Workshops mit Bürgern, das ist jedoch noch ein bisschen weiter in der Zukunft.
Wer Interesse an diesem Forschungsprojekt hat oder mitmachen möchte, kann sich in den News-Mailverteiler eintragen. (sim)